Haus der Veränderung

von Claes F. Janssen

Die ursprünglich aus dem therapeutischen Kontext kommenden Methode ist mittlerweile im Coaching und dem Change Management, sinnvollerweise, übernommen worden. Letztlich ist das Modell eine Weiterentwicklung der „Trauerkurven“ von Elisabeth Kübler-Ross. Die Methode ist vielseitig einsetzbar. Sei es für einen einzelnen Klienten, für Gruppenarbeit, für Führungskräfte / Teams in Firmen vor und während eines Veränderungsprozesses. Sie kann direkt den Prozess begleiten und auch allgemeine Erkenntnisse über den Umgang mit Veränderung bringen, bzw. zu Verdeutlichen wie Änderung funktioniert.

Eine der wenigen Konstanten im Leben ist, dass sich alles im Wandel befindet. Wie ich mit dem Wandel umgehe und wie ich die Stationen des Wandels erlebe ist wiederrum eine Frage der Persönlichkeit. Allgemein kann man sagen, dass Übergänge im Leben immer eine Herausforderung und Übung für die Lebenskompetenz der Menschen darstellen.

Das „House of Change“ beschreibt modellhaft diese Phasen in Übergängen. Im Übergang existiert die Schwelle, wo sich die Blickrichtung von der Vergangenheit in die Zukunft wechselt. Wo sich die Aufmerksamkeit vom Festhalten des Bestehenden zum Offenwerden und Gestalten des Neuen verändert. So wird die Phase des Übergangs in vier Schritte unterteilt. Daraus ergeben sich die Zimmer im Haus.

House of Change

Aber zunächst lohnt ein Blick auf die vielen Arten und Weisen, wie wir mit Übergängen umgehen. Wir erleben immer mehrere Übergänge in den verschiedenen Bereichen unseres Lebens, vielleicht haben wir uns gerade in der neuen Position im Beruf eingefunden, sind angekommen, da steht schon die Geburt eines Kindes ins Haus, oder der Partner trennt sich oder, oder…

Modelle sind zur Orientierung hilfreich dabei.

Jeder Veränderungsprozess hat eine innere Logik, eine Abfolge von 4 Phasen und das Hausmodell bietet dafür eine gute Orientierung.

Haus mit vier Zimmern, Keller und Dachgeschoss

Der Weg führt immer durch vier Räume.

Wo halte ich mich gerne auf, wo bleibe ich auch mal hängen…

wie gehe ich durch die Tore und über die Schwellen, wer sind die inneren und äußeren Wächter?

Die Räume

Veränderung ist ein Kreislauf im Leben. Daher sind die Räume im Kreis angeordnet. Zwischen einigen Räumen kann man hin und her gehen. Die Türen zum Raum der Zufriedenheit und zum Raum der Verleugnung sind allerdings Schleusen, die nur in eine Richtung gehen. Einmal durch die Türen gegangen führ der Weg nicht mehr zurück, sondern wieder durch den ganzen Kreis. In diesem Modellvariante sind noch zwei Räume dazugekommen. Wir haben noch den Keller für die ganz schwierigen Zeiten und das Dachgeschoss als Meta- oder dissoziierte Ebene.

Raum der Zufriedenheit

Zu Beginn befinden wir uns im Raum der Zufriedenheit. Im Raum der Zufriedenheit hat alles seinen Platz, seine Ordnung. Wir wissen, wie es läuft und was wir zu tun haben. Es ist schön und leicht zu leben. Alle Säulen des Lebens fühlen sich kraftvoll an. Ein lebendiges Pulsieren zwischen inneren und äußeren Bedürfnissen und Anforderungen. Alles ist am rechten Platz. Wir kennen unsere Ressourcen, schöpfen daraus, fühlen uns sicher.

Es kann eine wirkliche Zufriedenheit sein, aber es kann auch bloß die Sicherheit und Harmonie des Bekannten und Gewohnten sein. Man könnte also je nachdem auch vom Raum der Routine oder der Selbstverständlichkeit sprechen.

Es kann sich auch zunehmend anfühlen wie ein Laufen im Hamsterrad. Den Blick eng geschnallt auf die immer gleichen Abläufe, die gehetzten Schritte durch lähmende noch-mehr-von-demselben-Landschaften und dabei die einzige Gewissheit, dass das Hamsterrad keine Unsicherheit auslösenden Übergänge kennt in seinem immer-weiter-machen-Modus.

Und dann kommt zuweilen das nagende Gefühl, dass es so nicht mehr stimmig ist, Unzufriedenheit…Fragen, die auftauchen. Laut und bohrend oder innerlich leise im Kreise sich drehend.

  • Ein neuer Lebensabschnitt, z.B. Schulwechsel, Eheschließung, Geburt eines Kindes
  • Körperliche Beschwerden, eine schwere Krankheit, ein Unfall
  • Neue Arbeitsstelle oder eine Entlassung
  • Massive Kritik vom Partner,
  • Offenlegen einer Liebschaft
  • Trennung oder Scheidung
  • Schwere Krankheit oder Tod einer nahestehenden Person.

Vieles hätten wir sehen können, haben wir in unserem Innersten gewusst und doch trifft uns die Veränderung oft wie ein Blitz aus dem heiteren Himmel.

Eines ist sicher: Sobald der Blitz der Ereignisse von außen oder der unwiderruflichen Erkenntnis eingeschlagen hat, ist nichts mehr wie vorher. Wir werden unweigerlich in das nächste Zimmer gestoßen, der Raum der Verleugnung.

Der Raum der Verleugnung

Je heftiger die Umstände beim Verlassen des ersten Raumes, desto heftiger unsere Reaktion. Unsere instinktive Ablehnung hat ihren Sinn. Sie ist ein wichtiger Überlebensmechanismus, der uns hilft, uns nicht wegen jeder Störung von außen von den eigenen Prioritäten abbringen zu lassen und der deshalb Außeneinflüsse zuerst einmal abwehrt. Abgrenzung hilft, uns auf das Wichtige zu fokussieren.

Aber wenn die inneren Fragen, das Gefühl von Unstimmigkeit bleibt, dann haben wir den Raum der Zufriedenheit schon verlassen.

Umso klarer ist es beim Blitz, da geht es nicht um irgendwelche Störungen, sondern es geht um Ereignisse, die so gravierend sind, dass es nichts hilft, den Kopf in den Sand zu stecken. Trotzdem ist die erste instinktive Reaktion ein großes Nein, begleitet oft von starken Emotionen wie Wut, Aggression, Schuldzuweisungen oder Eifersucht.

Wir wollen das Ereignis nicht wahrhaben und möchten, dass es wie bisher weiterläuft. Wir listen alle Argumente für das Bisherige auf: Alles hat doch immer bestens funktioniert, so wie es war. Wir hatten es doch so schön. Warum soll jetzt alles auf den Kopf gestellt werden? Warum soll das Vertraute und Gewohnte nicht mehr gelten? Oft verklären wir das Alte und es erscheint besser als es je war. Aber es hilft alles nichts:

Die Türe in den Raum der Verleugnung ist eine Einwegtüre. Es gibt keinen direkten Weg zurück in den Raum der Zufriedenheit.

Nach einer Zeit der Verleugnung wird uns allerdings unweigerlich klar, dass es kein Zurück in das Zimmer der Zufriedenheit gibt, dass es eben so ist, wie es ist, dass es keinen Sinn hat, sich gegen das Unabänderliche zu sträuben. Meist kommt dann ein Bedürfnis nach Rückzug dazu, eine innere Absonderung und die echte Realisierung der Situation.

Wie es nun weitergehen soll, wissen wir aber nicht, wir fühlen uns bereit für die Schwelle zum

 

Raum des Übergangs, der Zwischenraum

Hier fühlt es sich oft so an, als hätten den Boden unter den Füssen verloren. Es herrschen Angst, Ambivalenz, Misstrauen, Unsicherheit, wir sehen überall Fragezeichen, in uns sind viele widersprüchliche Stimmen, Hypothesen, Fantasien. Menschen in dieser Phase verlieren oft ihre Selbstsicherheit, sind ratlos, sehen keine Zukunft. Chaos und Verwirrung tauchen allenthalben auf…

Was dazu kommt: Die Türe zwischen dem Raum der Verleugnung und dem Raum des Übergangs ist eine Drehtüre. Das bedeutet, dass viele auch eine Zeit lang zwischen den beiden Räumen hin und her pendeln. Es gibt auch Menschen, welche die Schwelle zum Raum des Übergangs nicht überschreiten wollen und im Raum der Verleugnung verharren und irgendwann gar die Treppe in den Keller nehmen, resignieren, sich aufgeben und fallenlassen.

Abschiednehmen vom Alten

Im Raum des Übergangs geht es vorerst um endgültiges Abschiednehmen vom Alten, also um einen Trauerprozess, letztlich um ganzheitliche Akzeptanz: Ja, ich habe die Stelle, die Frau, die Jugend, meine körperliche Vitalität etc. verloren. Ja, es wird nie mehr so sein wie früher. Ich kann es nicht ändern. Es ist so, wie es ist.

In dieser Situation entsteht oft eine erstmals zugelassene Leere, das Nichtwissen darf da sein, oft unterbrochen von Verwirrung, Suchen, Bodenlosigkeit.

Der Übergangsraum kann sich wie eine Lebenskrise anfühlen, die dunkle Nacht der Seele. Und dieser innere Prozess geschieht ja gleichzeitig zu dem weiterlaufenden Alltag! Die täglichen Pflichten in Beruf, Familie und Freundeskreis werden zu einer kaum zu bewältigenden Bürde. Phasen von Hoffnung und Verzweiflung wechseln sich ab. Das Instrumentarium, mit dem wir bisher unser Leben gesteuert haben, reicht nicht mehr aus, um dieser Situation gewachsen zu sein, in der wir uns nun befinden.

Offenbar hilft nichts mehr aus dem vertrauten Arsenal der alten Möglichkeiten,

  • die Ratschläge der anderen sind gut gemeint, helfen aber nicht weiter,
  • das ganze Thema noch einmal zu bedenken und zu analysieren und Alternativen zu suchen, macht nur mutloser
  • sich zu ärgern und andere damit vor den Kopf zu stoßen, erleichtert vielleicht einen Moment, hilft aber auch nicht weiter, die anderen ziehen sich nur zurück und verstehen nichts…

„Das Korn wächst in der Nacht“ – Unsichtbar und unmerklich sprießen unter der Oberfläche von Ohnmacht und Aussichtslosigkeit Keime für etwas Neues, namenlos meist, nur geahnt. Sie äußern sich vielleicht in dem Gefühl des „so kann es doch nicht weitergehen, ich muss alles loslassen, Ideen, Erwartungen, Konzepte loslassen. Ich muss loslassen, ich muss, ich muss…..

ich darf auch….ich kann?!

Und in diesem Raum des Übergangs gibt es sie ja, diese blitzhaften Momente des Wissens, in der dunklen Nacht der Seele. Ein sehr einfaches Wissen: So ist das also!

Später werden, zuerst zaghaft, neue Schritte gewagt – ohne genau zu wissen, wohin sie führen. Die Resonanz innen und außen spüren, dann einen neuen Schritt. Es ist ein Prozess des Forschens und Lernens. Überraschende Lösungsmöglichkeiten werden entdeckt. Die Teile des Inneren werden neu zusammengesetzt.

Wichtig ist zuallererst, den Blick zu weiten und auch Möglichkeiten zuzulassen, die auf den ersten Blick unrealistisch scheinen.

Damit wir offen auch für ganz Neues, Ungewohntes werden, braucht es die Verwirrung, da wir sonst allzu schnell auf das vermeintlich bewährte Alte setzen. Das ist die Chance der Krise.

Es geht im Raum des Übergangs darum, Dinge und Möglichkeiten anzudenken, auch wenn vieles noch unklar bleibt, einen Raum zu öffnen, in dem Intuition, Staunen, Wahrnehmen Platz haben.

 

Der Raum der Erneuerung

Derjenige entdeckt sie, der die Veränderung akzeptiert und das Alte verabschiedet hat. Dann wagt er irgendwann den Blick in das Zimmer der Erneuerung. Wir wittern Morgenluft, sehen Licht und beginnen an die Realisierbarkeit von Möglichkeiten zu glauben, Wege werden plötzlich sichtbar, der Blick weitet sich.

Aber auch die Türe zwischen den Räumen des Übergangs und der Erneuerung lässt sich in beiden Richtungen durchschreiten.

Nach dem Silberstreifen am Horizont kommt oft wieder die Verwirrung, ein Hin- und Her.

Irgendwann wird aber der Schritt in den Raum der Erneuerung bestimmter und kräftiger. Wir sind jetzt endgültig im vierten Raum angelangt und das wirkt dann oft wie ein Zauber: Das Selbstbewusstsein kehrt zurück und das Leben ist wieder lebenswert. Jetzt geht es um Umsetzung, um konkretes Handeln. Selbstvertrauen, Tatkraft und Energie sind spürbar. Eine Ausrichtung auf ein Ziel ist da. Schritte, die im Raum des Übergangs mühsam und anstrengend waren, werden plötzlich ganz leicht. Vieles ist möglich, wir erleben einen Quantensprung. Wir sind endgültig in neuen Gewässern. Das will nicht heißen, dass ab und zu nochmals eine Schlaufe über den Raum des Übergangs und er Verwirrung folgt, aber das Neue hat schon genug Boden und der point of no return ist längst überschritten.

Später dann, und so schließt sich der Kreis, wird auch das Raum der Erneuerung verlassen und man findet sich wieder im Raum der Zufriedenheit, auf einer neuen Stufe zwar. Das Neue wird zur Gewohnheit. Früher oder später wird ein neuer Blitz in den Raum der Zufriedenheit einschlagen und der Kreis beginnt von neuem.

Der Keller – Raum der Resignation

Aus der Ablehnung, dem Nicht-Anerkennen, dass der Raum der Zufriedenheit nicht mehr der eigene Raum ist, kann eine große Frustration entstehen. Aus dem Frust wird Resignation. Erst mit der Überwindung der Resignation ist der weiter Weg zur Veränderung möglich.

Das Dachgeschoss – Die Metaebene

Mitunter dreht man sich so im Kreis, dass Abstand hilft. Ein neuer Blickwinkel kann helfen. Dann kann man das Haus verlassen und sich in das Dachgeschoss begeben. Dort von oben kann sich jeder selbst beobachten, wie es steht. Warum bin ich da wo ich bin? Was bräuchte ich wirklich? Wie kann es, hier dissoziiert betrachtet, für mich weitergehen.

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