Störungen haben Vorrang

Der wohl bekannteste Satz aus der Themenzentrierten Interaktion (TZI) ist ein wesentlicher Baustein für erfolgreiche Seminare, Trainings oder Kurse.

Jede Störung ist ein Zeichen dafür, dass die Gruppe oder eine Person aus der Gruppe mit dem aktuellen Verlauf des Seminars nicht zufrieden ist. Dies kann verschiedene Gründe haben.

Allgemeine Bedürfnisse:

Müdigkeit, Hunger, Durst, …

Thematische Unklarheiten

Ein TN hat etwas nicht verstanden

Der didaktische Aufbau entspricht nicht dem Niveau der Gruppe

Der Inhalt ist zu einfach – zu schwierig

Die Präsentationsform passt nicht

Störungen haben Vorrang

Zwischenmenschliche Störungen

Rapportverlust zur Gruppe

Konflikte zwischen TN oder

zwischen Leitung und TN

Aber warum haben Störungen Vorrang? In der Erwachsenenbildung könnten wir die These vertreten, dass die Teilnehmenden alt genug sind, ihre Positionen und Bedürfnisse selbst zu vertreten. Mit dieser Haltung ignorieren wir gleich mehrere Grundannahmen des NLP. Zwischen einer positiven Absicht und der Fähigkeit, diese adäquat zu formulieren, liegen manchmal Welten. Zum guten Lernen gehört auch eine gute Lernatmosphäre. Sonst lernen die Teilnehmenden nicht neues Wissen, sondern wie man müde auf dem Stuhl sitzen bleibt, ohne einzuschlafen. Auch ein Lernerfolg, der aber selten im Kursprogramm steht.

Für die Lernatmosphäre ist wiederum der Seminarleiter verantwortlich. Wenn Störungen ignoriert oder geleugnet werden, spielen sie sich selbst in den Vordergrund und behindern Lernen, Arbeit und Wachstum. Deshalb müssen sie ernst genommen und bearbeitet werden, bis die Person oder Gruppe wieder handlungs- und arbeitsfähig ist. Das bedeutet, dass wir neben der Vermittlung von Inhalten immer auch wach sind, Störungen wahrzunehmen und entstören.

In einem Seminar habe ich das Gegenbeispiel erlebt. Auf die Frage des Trainers, ob man ihn im Hintergrund verstehen könne, antworteten die Zuhörer laut mit „Nein“ und bekamen zur Antwort: „Das ist nicht mein Problem“.

Auch wenn dieses reale Beispiel ziemlich krass ist, passiert es in Seminaren oft, dass die Leitung vor lauter Eifer die ersten Anzeichen übersieht. Niemand kann alles sofort erkennen. Aber es gilt der Grundsatz: Je früher ich eine Störung wahrnehme, desto einfacher ist es, sie zu beheben.

Das klingt alles so klar und einfach, und doch werden Störungen oft von der Leitung ignoriert oder an die Teilnehmenden zurückdelegiert. Wenn klar ist, dass Störungen die Gruppe in ihrer Teilnahme einschränken oder gar zur Arbeitsunfähigkeit führen, sollte jede Trainerin sofort auf die Störungen eingehen. Leider geschieht dies aus zwei Gründen nicht immer.

  1. Die Leitung empfindet die Störung als persönlichen Angriff und ist deshalb versucht, den Angriff abzuwehren. Dabei wird möglicherweise nicht zwischen der positiven Absicht und dem Verhalten der Teilnehmenden unterschieden. Wenn dies eine Grundhaltung der Trainerin ist, wird dies langfristig zu Schwierigkeiten als Trainerin führen. Es kommt vermehrt zu Konflikten und unzufriedenen Teilnehmenden. Ich empfehle der Leitung Supervision oder Coaching zu diesem Thema.
  1. Die Beseitigung von Störungen kostet Zeit, die dann vermeintlich bei der Vermittlung der Inhalte fehlt. Ein Denkfehler, denn ohne Beseitigung der Störung können die Inhalte nicht vermittelt werden. Es kommt zu einem reinen Vortrag und das Wissen muss dann am Nachmittag erarbeitet werden. Pseudomäßig wird der Stoff vermittelt, aber nicht in der Realität der Teilnehmerinnen.

Das Verhalten der Trainerin wird sehr stark von den eigenen Überzeugungen und Werten bestimmt. Daher ist es wichtig, dass die Trainerin ihre eigenen Werte und Glaubenssätze kennt. Glaubenssätze, die ein gutes Training behindern, sollten aufgelöst und hilfreiche Glaubenssätze gefördert werden. Welche Glaubenssätze hilfreich sein können, ist ein eigenes Thema, auf das ich gerne eingehe.

Die Entwicklung von förderlichen Glaubenssätzen und Werten, eine Supervision des Verhaltens sollte in keiner Trainerausbildung fehlen.

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