Afantasie – wenn die inneren Bilder immer nur schwarz sind

Im Coaching arbeiten wir oft mit inneren Bildern, im NLP stark mit allen Sinnen (VAKOG). Die inneren Bilder und Vorstellungen sind mächtig in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wir lassen Ziele visualisieren, Fragen Submodalitäten von Bildern ab und fragen von der Metaebene wie sich unser Klient in diesem oder jedem Moment sieht bzw. sah.

Doch was machen wir, wenn der Klient keine inneren Bilder hat? 2 – 4 % der Bevölkerung haben als inneres Bild nur ein schwarzes Bild. Man nennt es bisher Afantasie. Der Begriff ist noch nicht wissenschaftlich festgelegt, setzt sich allerdings nach und nach durch.

Afantasie gibt es wohl in verschiedenen Varianten und es ist noch nicht geklärt, wie Afantasie entsteht. Geforscht wird dazu nur, weil sich über die Variante der normale Prozess der inneren Bilder besser verstehen lässt. Da die betroffenen Menschen einen anderen Umgang in Alltag mit ihrer Bilderwelt gelernt haben, gilt es auch nicht als Krankheit / Störung und wird daher nicht behandelt. Man wüsste auch gar nicht wie. Es scheint zwei Typen von Afantasie zu geben.

Afantasie

Die erste, anscheinend oft aufgrund eines Unfalls, einer Kopfverletzung oder einer traumatischen Störung, führt dazu, dass sich die Menschen auch keine Bilder, Gesichter o.ä. merken können. Sie wissen nicht bzw. nur ungenau, wie ihre Mitmenschen aussehen, was am Tag ihrer Hochzeit geschah oder wie das Essen gestern Abend aussah.

In der zweiten Ausprägung gibt es ebenfalls keine inneren Bilder, doch sind alle Informationen abrufbar. Die Betroffenen können sehr wohl sagen, wie die Farbe des Himmels beim Morgenspaziergang hat und ob der Gesprächspartner eben eine Brille trug oder nicht.

(Kleine Insiderinfo – man kann damit sogar beim Memory gewinnen.)

Oft wird Afantasie erst spät bemerkt. Das liegt daran, dass wir uns selten mit den Mitmenschen austauschen, wie wir die inneren Bilder sehen. Jede denkt immer, dass alle Menschen gleiche innere Bilder haben. Wenn wir uns dann in NLP Ausbildungen mit inneren Bildern beschäftigen, kommt oft das große Erwachen über die Unterschiedlichkeit der Menschen. Dabei ist auch in fast jeder unserer Ausbildung ein Mensch mit Afantasie dabei.

Meist wird Afantasie mit der Abwesenheit von inneren Bildern beschrieben. Doch es fehlen nicht nur die inneren Bilder, sondern alle Sinne sind betroffen. Es gibt auch keinen inneren Klang, kein Gefühl, …

Wie arbeitet man im Coaching mit Menschen mit Afantasie?

Bei der ersten Personengruppe braucht es eine Auflösung der Störung um mit den inneren Bildern arbeiten zu können.

Bei der zweiten Gruppe ist es im Coaching einfacher. Da die Klient:Innen über alle Informationen verfügen, kann man alle Methoden / Formate nutzen und einsetzen. Vorab gilt es die Idee der inneren Bilder (VAKOG) zu klären und zu testen, ob die Klientin Zugang zu den Informationen hat. In einem „Als-Ob-Rahmen“ – „Auch wenn Du keine inneren Bilder hast, tue einfach mal die nächsten Minuten so, als ob da ein Bild wäre und beschreibe mir alles, was da ist“ – kann ich alle Prozesse mit inneren Wahrnehmungskanälen mit meiner Klientin durchführen.

Wenn sich die Klientin auf die Prozesse einlässt, kommt es dann für den Coach zu einer Überraschung. Die Klientin ist wesentlich schneller als eine Klientin mit echten inneren Wahrnehmungen. Es müssen nicht großartig innere Bilder aufgebaut werden, die Informationen liegen sozusagen in digitale Form sofort zur Verarbeitung bereit. Der Störfaktor kann dann nur vom Coach, der evtl. die Geschwindigkeit und damit die Ernsthaftigkeit in Frage stellt, kommen.

Ein Nachteil ist allerdings, dass die Klientin nie so tief in die Vorstellung gehen kann, wie andere Klientinnen. Sie bleibt immer leicht dissoziiert. Ein äußeres Erscheinungsbild davon ist, dass sich die Pupillen bei einer inneren bildlichen Vorstellung geringer weiten als bei einem echten Erlebnis. Dieses Phänomen wird zur Diagnose von Afantasie genutzt. Denn bei Menschen mit inneren Vorstellungsmöglichkeiten weiten sich die Pupillen bei dem Erlebnis und bei der Erinnerung annähernd gleich. Wer als Coach also auf die Erweiterung der Pupillen im Coaching bei inneren Bildern achtet, kann wieder in eine Fehlannahme laufen.

Es gibt dafür auch echte Vorteile.
Als Selbstbetroffener kann schätze ich z.B. den Vorteil, dass die Erzählungen meiner Kliente:innen bei mir auf keine eigenen Bilder treffen. Es ist für mich sehr einfach mich nicht von meinen eigenen inneren Vorstellungen über die Welt beeinflussen zu lassen. Wenn eine Klientin mir etwas über einen blauen Strand mit gelben Wolken und rosaroten Wellen erzählt und auf der Welle fährt ein Elefant mit zwei Rüsseln Wasserski auf einem Bügelbrett, dann ist es eben einfach so.

Wird schon stimmen, ich kenne so etwas eben nicht. Das Bild entsteht nicht vor meinem inneren Auge und trifft dort auf kein Bild meiner subjektiven inneren Wirklichkeit.

Auch tauche ich bei schrecklichen Erzählungen nicht in starke Emotionen, da dazu einfach die Bilder fehlen.

Insgesamt kann man noch sagen, dass Menschen mit Afantasie weniger Angst haben, da sie sich die Zukunft eben nicht ausmalen können. Ob Vorteil oder nicht überlasse ich Euch.

Quellen und weitere Artikel zu dem Thema:

https://de.wikipedia.org/wiki/Afantasie

https://www.psychologie.uni-bonn.de/de/unser-institut/abteilungen/differentielle-biologische-psychologie/%20%20Aphantasia%20Research%20Project%20Bonn%20

https://www.galileo.tv/video/aphantasie-was-ist-das/

https://elifesciences.org/articles/72484

https://www.rnd.de/gesundheit/auf-dem-inneren-auge-blind-was-ist-afantasie-BKEYHLZXWJETXGW4T7KQ7GD5G4.html

https://www.wipub.net/wenn-das-kopfkino-fehlt-das-phaenomen-der-afantasie/

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