Was wir aus Fehlern lernen? Wie es geht und warum wir uns besser auf das Gegenteil konzentrieren sollten.

Bei Klassenarbeiten in der Schule werden alle Fehler rot markiert und am Rand mit einem Korrekturzeichen versehen. Viel Rot = schlechte Note. So kennen wir es aus unserer Kindheit und so geht es weiter im Leben. Eltern erklären ihren Kindern gerne, was sie nicht tun sollen, im Sport weisen Trainer auf falsches Verhalten/Bewegungen hin und in Kritikgesprächen mit Vorgesetzten wird einem gesagt, was man alles falsch gemacht hat.

In unseren Trainings geben wir gerne Feedback, vor allem über die Dinge, die gut gelungen sind. Aber immer wieder überfordern wir damit unsere Teilnehmenden und hören den Wunsch, zu erfahren, was sie „alles falsch gemacht haben“. Dann könnten sie es ja „besser machen oder ändern“.

aus Fehlern lernen

Schauen wir uns jedoch das Wahrnehmungsmodell des NLP an, so scheint in dieser Betrachtungsweise ein kleiner Denk- bzw. Wahrnehmungsfehler zu liegen.

Unsere Wahrnehmung wird unter anderem durch unsere Erfahrungen, Überzeugungen und Erwartungen gefiltert. Dies ist notwendig, da wir uns sonst in der Fülle der Informationen verlieren würden. Diese Filter helfen uns, uns in der Informationsflut der Welt zurechtzufinden. Viele kennen die Wahrnehmungsfilter unter der Maxime „Energie fließt, wohin die Aufmerksamkeit geht“*. Wir nutzen sie im NLP und im Coaching zur Zielbeschreibung und zur inneren Ausrichtung. Bei der Zielerreichung wird es selten in Frage gestellt. Beim Feedback oder bei der Fehlerkorrektur findet die Maxime keine Beachtung. Warum nicht? Wenn wir die Idee der gefilterten Wahrnehmung ernst nehmen und dass wir die Filter durch unsere Aufmerksamkeit kalibrieren können, dann sollte der Fokus im Feedback immer auf dem Gelungenen, dem Richtigen und der Beschreibung der korrekten Ausführung liegen.

Also nicht: „Du warst an der Stelle X zu schnell für deinen Kunden“, sondern: „An der Stelle X darfst du deinem Kunden gerne mehr Zeit geben, so wie du es an der Stelle Y gemacht hast“.

Wenn wir immer wieder auf die Fehler hinweisen, richten sich die Filter unserer Lernenden, Kinder, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder auf die Fehler aus und die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Fehler wiederholt, steigt.

Warum aber gilt der Satz „Energy flows, where the attention goes“ für unsere Ziele oder unsere innere Ausrichtung, aber nicht für unsere Lernkultur?

Ich denke, dafür gibt es mehrere Gründe.

Wir sind von klein auf daran gewöhnt, uns auf Fehler zu konzentrieren. Schon von den Eltern hören wir solche Sätze, in der Schule bekommen wir sie dann jahrelang schriftlich. Die Gewohnheit lässt sie uns richtig erscheinen und macht sie unangreifbar. In uns wirken starke Überzeugungen und Erfahrungen mit wirksamen Alternativen fehlen oder sind nicht im Gedächtnis gespeichert, weil es sie nicht geben darf.

Zum Glück gibt es jetzt die Studie von Brigitte Sindelar (Univ.-Prof.Dr.in Brigitte Sindelar | Klinische Psychologin, Psychotherapeutin – Individualpsychologie). Im „Projekt Fehlerkil-ler“ wurden an österreichischen Schulen bei der Korrektur von Arbeiten die Worte „Fehler“ und „falsch“ nicht verwendet. Statt des Rotstiftes wurden die richtigen Wörter unter die Fehlerstellen geschrieben.

Zitat:
„Unterricht des Richtigen, nicht des Falschen betonen

„Lehrer, die den Unterricht am Richtigen aufziehen statt auf den Fehlern, tun den Kindern etwas Gutes“, betont Sindelar und verweist auf die Ergebnisse der Tests zu Rechtschreibung, Rechnen und Leseleistung, die bei der Studie jeweils am Ende des Schuljahres durchgeführt wurden.

Demnach haben bereits am Ende der zweiten Klasse die „Fehlerkiller“-Schüler nicht nur eine signifikant höhere Motivation, sondern auch signifikant bessere Leistungen gezeigt. Bei der Rechtschreibung zeigten 42 Prozent der Kinder aus „Fehlerkiller“-Klassen eine „weit überdurchschnittliche“ Rechtschreibleistung, in der Kontrollgruppe waren es 19 Prozent.

Die Rechenleistung war bei 13 Prozent der „Fehlerkiller“-Schüler „weit überdurchschnittlich“, aber nur bei 1,8 Prozent der Kinder aus der Kontrollgruppe.
Quelle: https://sciencev2.orf.at/stories/1675003/index.html

Die ganze Studie wird bald veröffentlicht und wir dürfen gespannt sein. Letztendlich belegt Brigitte Sindelar mit ihrer Studie nur das, was im Wahrnehmungsmodell des NLP schon lange beschrieben ist und leider bisher noch zu wenig Anwendung findet.

* wird oft Milton Erickson zugeschrieben. Es ist jedoch nicht klar, ob Erickson das Zitat tatsächlich geprägt hat oder ob es sich um eine Interpretation seiner Arbeit handelt.

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